„Maskenball“, Choreografie und Tanz A. Schlögl und Ute Steinberger

„Maskenball“, Choreografie und Tanz A. Schlögl und Ute Steinberger

Sprung vom Ski auf die Bühne

Vor einem Vierteljahrhundert hat der einstige Sportler Andy Schlögl die Passauer Tanztage gegründet, die er heute mit Ute Steinberger leitet

Ava#Tar von Andreas Schlögl und Ute Steinberger hat im März in Regensburg Premiere und kommt dann zu den Passauer Tanztagen.

Regensburg/Passau, 29/12/2023

„Wenn wir nicht aufpassen, ist unsere Freiheit weg!“ Mit drastischen Worten, aber ruhiger Stimme skizziert Andreas Schlögl wohin wir seiner Ansicht nach mit der fortschreitenden Technisierung unseres Lebens steuern. „Ava#Tar“ nennt der Passauer sein neues Tanztheaterstück, das er gerade zusammen mit Partnerin Ute Steinberger entwickelt. Premiere ist am 1. März im Turmtheater Regensburg. Danach präsentieren sie es bei den Passauer Tanztage(n).   

Vor 25 Jahren, 1999, hat Schlögl die Passauer Tanztage ins Leben gerufen und leitet sie bis heute, seit einige Jahren gemeinsam mit Steinberger. Als Choreograf und Tänzer schuf er abendfüllende Werke, darunter Stücke wie „1 Tango“ mit dem Gitarristen Jürgen Schwenkglenks und „Michelangelo“. Kennzeichnend für seine künstlerische Arbeit ist eine oft enge Zusammenarbeit mit Musikern, Komponisten, Schauspielern oder Künstlern aus anderen Bereichen. Lange fanden die Tanztage im Herbst/Winter im Stadttheater, der Redoute und an anderen Orten der Drei-Flüsse-Stadt statt. Dabei „war es immer schwierig einen Termin im Theater zu bekommen“, schildert Schlögl das Verhältnis zum etablierten Kulturbetrieb des Landestheaters Niederbayern. 

Mit einem neuen Konzept hat das Leitungsduo im Jahr 2023 die Tanztage in den Sommer und ins Freie verlegt. „Ich tanze lieber, wenn es warm ist“, bringt Schlögl sein Alter ins Spiel. „Man wird ja nicht jünger“, meint der 60-jährige Tänzer lächelnd, „und das Thema alt werden ist für uns ganz wichtig“. „Wir sind hier die ältesten aktiven Tänzer“, zieht er eine Verbindung zur künstlerischen Auseinandersetzung ums Altern von Pina Bausch und ihrer Wuppertaler Tanzcompany. Es sind immer wieder politische und gesellschaftlich aktuelle Themen, die den Künstler und Ingenieur bewegen. So hat sich der im Sternzeichen Fische geborene 2023 mit Wasser (Water) als existentiellem Gut, aber auch Element um das erbittert gekämpft wird, in einer Choreografie für die Tanztage beschäftigt. Aus Regensburg, wo Schlögl seit einiger Zeit lebt, war Wagner Moreira angereist und hat mit seiner Tanzcompany die Performance „Massa Mobil“ vorm Eingang zur Stadtgalerie am Ludwigsplatz präsentiert. 

Im neuen Stück „Ava#Tar“ geht es um KI, Algorithmen und wie sie uns bewegen, vielleicht sogar lenken und kontrollieren. Es ist ein komplexes, hochaktuelles und auch verwirrendes Thema, für das die beiden Tanzenden keine Antworten liefern wollen. Sie zielen darauf ab, „die richtigen Fragen zu stellen“, wie sie in ihrem Konzept schreiben. Das haben Schlögl und Steinberger, wie alles, was sie in den letzten Jahren gemacht haben, gemeinsam  entwickelt. Wobei „ich für die politischen Themensetzungen zuständig bin“, erklärt der Passauer seine Rolle „und Ute bringt mich dann wieder auf den Boden zurück“. Die Tänzerin und Choreografin bekennt sich zu „den Herzensentscheidungen“, will dem Zufall,  dem Menschlichen Raum geben. Der Kälte der künstlichen Intelligenz, „die dem freien Denken und  herzgesteuerten Zufall den Weg versperren“, setzt sie die Wärme des Herzens entgegen.

Neben der gemeinsamen Leidenschaft für den Tanz haben die beiden auch eine intensive sportliche Vergangenheit und den Ingenieurberuf gemeinsam. Steinberger ist Bauingenieurin und hat zusätzlich eine Tanzausbildung absolviert, war Sieben-Kämpferin und Kunstturnerin. Bei teils mehrjährigen Einsätzen im Iran, Vietnam und in Nordkorea hat sie immer auch Ballettunterricht geben, pädagogisch und choreografisch gearbeitet, manchmal gesponsert von den Firmen in deren Auftrag sie unterwegs war.

Schlögl kommt ursprünglich aus dem Leistungssport und war von 1982 bis 1990 Mitglied der Deutschen Freestyle Ski Nationalmannschaft. Dabei feierte er im Skiballett (4. Platz im  Weltcup und Europa-Cupsieger) seine größten Erfolge. Heute noch gehört der Eiskunstlauf zu seinen liebsten Freizeitbeschäftigungen im Winter. Für den Tanz entwickelte er bereits in der Jugendzeit eine große Begeisterung, die zunächst im Skiballett einen Ausdruck fand. 

Da er schon immer „spürte, dass ich koordinatorisch sehr begabt bin und verschiedene Sachen machen wollte“, kam das Künstlerische zunehmend stärker zum Durchbruch, als er bewusst „aus der Sportschiene heraustrat“. Er begann seine Inspirationen und Prozesse von innen aus seinem geschulten Bewegungsverständnis heraus zu entwickeln. Im letzten Jahrzehnt  wurde auch die Sprache immer mehr zu einem Ausdrucksmittel für den umtriebigen Macher. Regelmäßig schreibt er lyrische Texte. Zudem nimmt er  Gesangsunterricht und entwickelt seine Stimme als Instrument mit eigener Ausdrucksweise. 

Im Regensburger Turmtheater konnte er schon vor einiger Zeit mit der Produktion „Slow, I`cant wait“ (über Leonard Cohen) einen großen Erfolg feiern. Eine Vereinbarung mit dem Intendanten und Betreiber der hoch über den Dächern Regensburgs angesiedelten Bühne sieht vor, dass sich Schlögl um die Sparte Tanz kümmert und im Jahr ein bis zwei Produktionen einlädt oder selbst auf die Beine stellt. Für den unermüdlichen Kulturaktivisten, der zudem auch als Sicherheitsingenieur für ein mittelständisches Unternehmen tätig ist, ist das sicher kein Problem – hat er doch „…immer nur / ein Ziel vor / Augen Fliegen / Freisein / Leben und / vielleicht / auch Tanzen“ (Ausschnitt aus dem Gedicht „Fliegen“ von Andreas Schlögl).

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