Kleidertausch statt Kleiderrausch

„Fast Fashion“ von Sabine Karb mit und für junge Leute im Münchner Hoch x

Die Idee, sich kritisch mit den Missständen der Textilindustrie auseinanderzusetzen, wirkt auch deshalb authentisch, weil hier der Kleidertausch als Zeichen für Nachhaltigkeit gelebt wird.

München, 17/01/2024

Herrlich undogmatisch kommt Sabine Karb mit ihrer 7-köpfigen Tanztheatertruppe daher, die sich kritisch mit dem Thema „Fast Fashion“ auseinandersetzt. Die Arbeit überzeugt auch deshalb, weil die Choreografin und Theaterpädagogin für und vor allem mit jungen Leuten die Thematik aufgegriffen, erarbeitet und von verschiedenen Seiten beleuchtet und auf die Bühne bringt. Junge Leute, die ihren Weg, ihren Stil finden müssen, die ihre Medien nutzen, und die hier zu Wort kommen, wenn im Anschluss an die Vorstellung die Tanzjugend den Publikumsfragen Rede und Antwort stehen und sich auch zu ihrem persönlichen Konsumverhalten vor und nach dem Projekt äußern. 

Das Gesprochene im Zusammenspiel mit Bewegung, selbst gedrehten Kaufrausch-Sequenzen gegenüber gestellt von Filmausschnitten, die die im Grunde bekannten Missstände der Textilindustrie dokumentieren, sorgen für Betroffenheit. Eckige, mechanische und fließende für den Modelsteg bestimmte Bewegungsabläufe sowie der Wechsel zwischen Video, Tanz, schnellem Schlüpfen in andere Rollen, in neue Identitäten entsprechen exakt der komplexen Thematik ‚Kleider machen Leute‘ – einmal anders. 

Das Stück, wie auch die verschiedenen Sequenzen folgen einer klaren Dramaturgie, die des Kaufrausches, der Stilfindung, des Konsums nach Lust und Laune und der Vermüllung, der Umweltverschmutzung. Der prekären Situation der Näherinnen, die die Tänzerinnen hier künstlerisch auf die Bühne bringen, kann sich niemand entziehen. Der Grund hierin mag in der Ausdruckskraft liegen, die die Tänzerinnen durch ihre besondere Körperbeherrschung entfalten: Von mechanischen Bewegungen und Gesten des Einsortierens von Kleidung in riesige Regale bis hin zur Zurschaustellung von Glitzerfetzen à la „Germany’s next Topmodel“ reicht das Spektrum. Skurril und makaber fühlen sich die Szenen des Abverkaufs oder Schlussverkaufes an: Schaufensterpuppen -  hier die Tänzerinnen – bekommen ihr Etikett „Sale“ oder ähnliches und werden weggetragen – Stichwort „Wegwerfgesellschaft“.

Wandlungsfähigkeit lautet die Formel, die sich durch das gesamte Stück hindurchzieht. Das erfordert technisches Können und Ausdruckskraft, die man hier bei den noch in der Ausbildung befindlichen Tänzerinnen, z.B. von der Iwanson-Tanzschule in München zu sehen bekommt. Das Konzept von „Fast Fashion“ ist so anregend wie lehrreich ohne pädagogischen Zeigefinger und vor allem interaktiv. 

Die Rechnung geht auf: Die Tänzerinnen und Choreografin arbeiten Hand in Hand, auch das Publikum wird Teil von „Fast Fashion“, wenngleich erst am Ende des Werkes. Die Idee, sich kritisch mit den Missständen der Textilindustrie auseinanderzusetzen, wirkt auch deshalb authentisch, weil hier der Kleidertausch als Zeichen für Nachhaltigkeit gelebt wird: Wer sich also schon im Vorfeld der Aufführung mit dem Thema befasst und seinen Kleiderschrank aussortiert hat, darf im Anschluss an die Vorstellung am Kleidertausch teilnehmen und sich mit Vintagekleidung im Foyer des Theaters eindecken. Damit hat die Person nicht nur sich selbst etwas Gutes getan sondern auch einen kleinen Beitrag in Richtung „sustainability fashion“ geleistet.

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