Thilo Poellath, Osiel Gouneo, Sylvia Schreiber

Jenseits von schwarz und weiß

Osiel Gouneo stellt seine Autobiografie vor

Dem kubanischen Tänzer geht es um einen offenen Diskurs, um ein „Ballett für alle“. Ein erster Schritt in Richtung Öffnung und Gedankenaustausch abseits von Klischees ist mit dieser Lesung getan.

München, 17/03/2024

Es ist schon etwas Besonderes, einem Tänzer nun in der Rolle eines Autors und Erzählers gegenüber zu sitzen. Diese Begegnung, bei der Osiel Gouneo seine Autobiografie vorstellt, steht im Gegensatz zu der lautlosen, auch vergänglichen Tanzkunst: Schwarz und weiß? Nein. Schwarz auf weiß? Ja, denn am Abend des 13. März dominierte im Balletthaus „Am Platzl“ im „John Cranko-Saal“ eindeutig das Wort, nicht die körperliche Bewegung. An diesem Abend stand der Startänzer Rede und Antwort. 

Das Thema Rassismus im Ballett lässt sich nicht von der Biografie Gouneos trennen, hat die Familie väterlicherseits doch unter Sklaverei und Zwangsarbeit gelitten. Auch Osiel Gouneo berichtet von eigenen, rassistischen Erfahrungen und Ausgrenzungen. Das Buch, das in Zusammenarbeit mit Thilo Komma-Pöllath entstand, erzählt von der beeindruckenden Karriere Gouneos, der es bis zum ersten Solisten des Bayerischen Staatsballetts geschafft hat, scheinbar mit seiner Sprungkraft die Schwerkraft besiegt und für den Pirouetten eine Bagatelle sind. 

Das war nicht immer so. Als kubanischer Tänzer wurden ihm reichlich Steine in den Weg gelegt. Diesen Herausforderungen auf dem Weg in die Ballettwelt, oftmals steinig, schroff, auch ausgrenzend musste er standhalten, sie überwinden, um nicht daran zu zerbrechen. An diesem kurzweiligen und bewegenden Abend können wir das Wechselbad der Gefühle des Tänzers Osiel Gouneo, der Gefühlswelt des Tanzes nachempfinden: Das Spektrum reicht von Disziplin, Empfindsamkeit und bis hin zum Superhelden. Mit wachem Blick, blitzenden Augen, wortgewandt nimmt Gouneo das Publikum auf die Reise in diese facettenreiche Tanzwelt, die weit mehr ist als schwarz oder weiß. Das Buch gibt Einblicke in Gouneos persönliches Umfeld, zeigt auf, welche Rolle die Familie, der Mangobaum, Kunst, Karate haben und welche Personen – auch als Vorbilder im Leben dieses außergewöhnlichen Tänzers spielen. Welche Abgründe sich auftun, auch darüber spricht der Tänzer unumwunden.

Außerdem lässt der Autor keinen Zweifel daran, was er von „cancel culture“ hält – rein gar nichts: „Differenzierter Diskurs“ ist sinngemäß Gouneos Maxime. Das Buch ist mehr als nur eine Biografie, zugleich eine aufschlussreiche Innenansicht des Ballettbetriebes. Sollte es zu einer weiteren Auflage dieses Buches kommen, wäre ein Personenregister oder vielleicht auch die Auflistung der wichtigsten Lebensstationen des Tänzers sicherlich hilfreich. So kann man dann noch leichter nachvollziehen, welche Personen Gouneo nahestanden oder -stehen und welchen Einfluss sie auf ihn hatten oder haben. Ein Spitzentänzer, der das Elend genauso wie die erhebenden Momente erlebt hat, dessen Impetus ist es, Tanzkultur einem breiten Publikum nahezubringen, setzt sich auch ein – für mehr Transparenz, für eine Kultur außerhalb des Ballettsaals, Ballett auf großen Plätzen. Damit einher geht es Gouneo um einen offenen und öffentlichen Diskurs, um ein „Ballett für alle“ – nach dem Münchner Vorbild „Oper für alle“. Ein erster Schritt in Richtung Öffnung und Gedankenaustausch abseits von Klischees ist mit dieser Lesung bereits getan.

Osiel Gouneo und Thilo Komma-Pöllath: „Black Romeo – Mein Weg in die weiße Welt des Balletts“, C.H. Beck, 28€

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