Ballett in der Reaktorhalle. Tanz-Studierende der Ballett-Akademie der HMTM. Tanz: Monami Aoki

Ballett in der Reaktorhalle. Tanz-Studierende der Ballett-Akademie der HMTM. Tanz: Monami Aoki

Zukunftsorientiert

Gefeierte Vorstellungen als Bühnenpraxisprüfung der Ballett-Akademie der Hochschule für Musik und Theater München in der Reaktorhalle

Nicht nur den zur Weihnachtszeit omnipräsenten „Nussknacker“ hatte die Ballett-Akademie bei ihren beiden Vorstellungen im Gepäck, sondern Choreografien verschiedenster Couleur, die für die ganze Vielfalt der Münchner Ausbildungsstätte stehen.

München , 05/01/2024

Weit mehr als nur ein Weihnachtsgeschenk machten sich die Tanzstudierenden, die an zwei Tagen, am 21. und 22. Dezember, ihre Bühnenpraxisprüfung in Form einer gelungenen Aufführung vor ausverkauftem Haus (jedenfalls bei der 2. Vorstellung) in der Reaktorhalle ablegten. Vielseitig, virtuos, ausdrucksstark konnte sich das Tanzensemble präsentieren. In gewohnt präziser Weise unterstützte das Volta-Ensemble unter der Leitung von Mark Pogolski die jungen Tänzer*innen. Genauigkeit, Hingabe und Kommunikationsfähigkeit stehen auch hier wieder für den Erfolg des Gesamtkunstwerks. Es ist das Prinzip des Lehrplans, die Studienbereiche Musik und Tanz miteinander zu kombinieren, um den Künstler*innen möglichst realitätsnahe Bedingungen herzustellen, also ein berufsnahes Umfeld zu schaffen, wo Tanz und Live-Musik einander ergänzen. Musiker*innen wie Tänzer*innen profitieren hier gleichermaßen. Darüber hinaus erhält das Publikum auch Einblicke in Themen wie Lichtregie oder Tontechnik – Bereiche, die für eine Vorstellung unabkömmlich, aber auch Ergebnis eines speziellen Studiengangs sind. 

Die berufliche Zukunft stets im Blick haltend, sind die Vorstellungen in der Reaktorhalle gespickt mit hohen technischen und künstlerischen Anforderungen: Das Spektrum der Tanzstile erstreckt sich im klassischen Bereich von „Napoli“ (August Bournonville) über „Dornröschen“ (nach Marius Petipa), „Carmen“ (Roland Petit) bis hin zu „Der Nußknacker“ (George Balanchine). Moderne Werke wie David Russos „Lullaby“ oder „Etudes“ zu Franz Schuberts IV. Ständchen, aus „Schwanengesang“ D 957 stehen ebenfalls auf dem Programm. Bemerkenswert gerade bei der Schubertinterpretation ist der Kontrast zwischen modern und klassisch, zwischen Gruppe und Einzelformation. Das Zusammenspiel dieser Gegensätze erzeugt Spannung und überzeugt dadurch. Auch in Petits Choreografie „Variation des „Frederi“ aus dem Ballett „L’ Arlésienne“ trifft modern auf klassisch. Daniel Chernyavskiy gestaltet die Rolle des Frederi mit schier nicht enden wollender Sprungkraft. Bravorufe sind die ‚Quittung‘. Ein weiteres Beispiel macht deutlich, dass Technik zwar Voraussetzung nicht jedoch Selbstzweck ist. Gemeint ist der Pas de cinq aus dem „Nussknacker“. Was die Präzision anbelangt, hätte es ein Metronom nicht besser machen können. Ein besonderes Lob geht an die Holzbläser, die im wahrsten Sinne mit den fünf weißgekleideten Mädchen Schritt halten können, ohne Tschaikowskis Musik allein auf den Rhythmus und die Metrik zu reduzieren. Gewagt und gewonnen lautet das Credo von Kirill Melnikovs Choreografie „Forêts paisibles“, die bei aller Einheit und Symmetrie den Einzelnen zur Geltung bringen lässt, dabei klare Formen vorgibt, ohne darin zu erstarren. Zur Musik und Bewegung passende Lichteffekte unterstreichen die moderne und eindeutige Formensprache. Auch hier ist die Rechnung aufgegangen: Barockmusik (Lully und Rameau) treffen auf zeitgenössische Tanzsprache – übrigens hervorragend gesungen von der Gesangsstudentin Anna Krikheli.

Es ist ein Abend der Mut macht, nicht nur, weil alle Darsteller*innen die Prüfung bestanden haben. Weit mehr als eine Formalität ist diese Auszeichnung, die die jungen Künstler*innen wohlverdient haben: Einen langen, entbehrungsreichen, zugleich erfüllenden Weg haben Tänzer*innen und Musiker*innen schon zurückgelegt, wie auch die Bosl-Matinéen zeigen. Auch das Publikum lernt im besten Sinne Lektionen, indem es bei den diesjährigen Matinéen bei den verschiedenen Trainingsarten – klassisch und Charaktertanz – über die Schulter(n) schauen kann. Nicht nur die Matinéen selbst auch die Ballettabende in der Reaktorhalle sind der Beweis dafür. Beweglichkeit, auch geistige zahlt sich aus: Es ist kein Zufall, dass in Zeiten der Hoffnungslosigkeit die Tanzsprache wie Phönix aus der Asche erstrahlt. Da ist es nur konsequent, wenn in Zeiten der Dunkelheit Lichtgestalten wie die beiden 19jährigen Tanzstudierenden aus der Ukraine – Varvara Lobanova und Serhii Zharikov – mit dem Heinz-Bosl-Preis geehrt werden, auch als ein Zeichen für Frieden und Hoffnung, nicht zuletzt auch als Anreiz für die nächste Tanzgeneration, die schon mit ihren Schläppchen scharrt.

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